Meistens werden für uns
Ehrenamtliche Fahrten mit Flüchtlingen zu Ärzten, zu
Behörden, zu Banken, zur Tafel, zur Kleiderkammer oder zum
Einkaufen vorkommen. Außerdem sind viele mit
Deutschunterricht beschäftigt. |
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Mit dem Deutschunterricht habe ich persönlich keine Erfahrung,
könnte mir aber vorstellen, dass die geplante Unterrichtszeit in
etwa kalkulierbar ist, leichte Überziehungen wird es aber wohl
geben können. Das gilt jedoch nicht für die erforderliche
Vorbereitung, die sicher noch einmal dieselbe Zeitspanne oder
sogar mehr zuhause im stillen Kämmerlein oder wegen Absprachen mit
Kolleginnen und Kollegen erfordert.
Bei den verschiedenen Fahrten habe ich bisher die Erfahrung
gemacht, dass der Zeitbedarf sehr häufig kaum vorauszusehen ist,
weil die Dinge sich anders entwickeln als erwartet.
Ein Arzttermin ist geplant um 10 Uhr vormittags. Es kann
vorkommen, dass trotz Terminabsprache mit so
einem Zettel eine Viertelstunde vergeht, bis alle im Auto
sitzen, die da mitfahren wollen. Während der Fahrt kramt einer der
Mitfahrer Rezepte aus der Tasche, die er eingelöst haben möchte.
Nach dem Arzttermin wollen die Mitfahrer die Gelegenheit nutzen,
in der Stadt noch einzukaufen. Dabei tritt das Problem auf, dass
in dem zuerst gewählten Laden nicht alles Gewünschte erhältlich
war. So geht es also zu einem weiteren Geschäft (z.B. Drogerie),
um dort noch die Reste einzukaufen. Man hat trotzdem als Fahrer
nicht vergessen, dass da noch Rezepte waren - also noch zur
Apotheke.
Ist man dann mit dem Einkauf in der Flüchtlingsunterkunft zurück,
gibt es ganz plötzlich noch irgendwelche Post oder Zettel aus der
Schule zu erklären, oder man erfährt so nebenbei, dass in der
Wohnung irgendetwas defekt ist oder noch ein dringend gewünschtes
Möbelstück fehlt. Auf diese Weise gehen insgesamt schon mal 3 bis
4 Stunden ins Land, bis man selbst wieder zuhause ist. Es
empfiehlt sich also, immer reichlich Zeit mitzubringen, sonst
führt das Ganze zu Ärger und Frustration.
Zur Verringerung des Aufwands wäre meine Vorstellung, dass wir
als Ehrenamtliche unseren Flüchtlinge irgendwie vermitteln,
wenigstens abgesprochene Termine möglichst genau einzuhalten -
oder sie eben auch mal stehenzulassen. Vielleicht hilft da die
Lektüre des Refugee-Guide,
den es in verschiedenen Sprachen zum Download gibt, und in dem
auch von "Pünktlichkeit" und der "Unhöflichkeit des Wartenlassens"
die Rede ist.
Viele Gänge kommen mehrfach und wiederholt vor, wo ein Begleiter
nicht mehr unbedingt erforderlich ist. Dazu gehören meines
Erachtens Einkäufe, Sozialhilfeempfang oder Besuche bei der Tafel,
die nach einigen Malen auch selbständig mit dem Bus oder - bei
besserem Wetter - mit dem Fahrrad erledigt werden können.
Möglichst bald sollten auch Arzttermine selbständig wahrgenommen
werden können. Selbstverständlich sollen die Umstände
berücksichtigt werden, der Einkauf für eine ganze Familie ist
etwas anderes als für die Einzelperson.
Wenn Sie das Gefühl bekommen, dass Ihre Flüchtlinge Ihre Hilfen und Dienstleistungen zunehmend als Selbstverständlichkeiten ansehen und Ihnen zu viel abverlangen, so haben Sie 14 Tage lang einfach mal "keine Zeit", das wirkt Wunder. Manch einem muss wohl auch erst klar werden, dass es im etwas gesetzteren Alter von 40 - 50 Jahren in diesem Land nicht genügt, einen wohlgefälligen Blick auf die Schar seiner Kinder und Enkelkinder zu werfen und ansonsten die Tage mit Teetrinken und Schlafen und die Nächte mit Internet und Kartenspielen zu verbringen, sondern dass Deutschlernen und danach Berufsleben gefragt sind.
Das Prinzip beim Umgang mit unseren Flüchtlinge sollte sein: Sie
sind keine Kinder, die dauerhaft an die Hand genommen werden
müssen, sondern für sich selbst verantwortlich. Möglichst bald
müssen sie auch in unserer deutschen Welt selbständig laufen
lernen.